Die Ratschläge
 

Nachfolgend einige Ratschläge für PartnerInnen von Überlebenden sexueller Gewalt.



> Nie persönlich nehmen
Die Reaktionen, die Sie erleben werden, können unangemessen und unerwartet erscheinen. Sie sind aber die Folgen des erlebten Traumas und haben nichts mit Ihnen zu tun, wenn es auch manchmal den Anschein hat, weil Sie unmittelbar betroffen sind. Der Grund für dieses Verhalten ist in der vergangenen Zeit zu suchen. Deshalb beziehen Sie es nicht auf sich persönlich, denn das ist es keinesfalls! Versuchen Sie Verständnis aufzubringen.


> Eigene Grenzen aufzeigen und Bedürfnisse verwirklichen
Sie müssen darauf achten Ihre eigenen Bedürfnisse nach Möglichkeit zu verwirklichen und Ihre Grenzen zu zeigen. Falls Sie einem Hobby nachgehen nehmen Sie sich die Zeit dafür. Wenn es Ihnen gefällt gehen Sie auch mal alleine aus. Wichtig ist aber, dass Sie mit ihm/ihr darüber sprechen was Sie zu tun wünschen.


> Über eigene Probleme und Sorgen sprechen
Es kann für sie/ihn einfacher werden über Probleme und Sorgen zu reden, wenn Sie das auch tun. Dadurch kann sie/er sehen, dass Sie auch welche haben. Vor allem auch über Ihre eigenen Verletzungen und Ängste sollten Sie sprechen. Das wird ihm/ihr zeigen, dass auch Sie ein menschliches Wesen sind mit Sorgen, Nöten und Problemen so wie sie/er.


> Unterstützung für Sie
Sie können nur genügend Kraft aufbringen ihr/ihm zu helfen, wenn Sie sich als eigenständiger Mensch verwirklichen. Gehen Sie über Ihre Möglichkeiten zu geben hinaus, wird sich irgendwann Unzufriedenheit und Verärgerungen einstellen. So kann die Beziehung in Schieflage kommen. Eine gute Möglichkeit ist auch andere PartnerInnen von Überlebenden zu kontaktieren, denn die haben Verständnis für Ihre Probleme. Mit ihnen können Sie sich darüber unterhalten.


> Zuhören und verstehen
Es ist wichtig zu zuhören um so zu erfahren was sie/er Ihnen mitteilen will. Versuchen Sie sich als einfühlsamer Zuhörer mit viel Geduld und Ruhe. Zeigen Sie sich verständnisvoll und hören Sie ihr/ihm genau zu. Bedrängen Sie sie/ihn nicht, seien Sie nicht ungeduldig, fragen Sie sie/ihn nicht aus. Das Beste ist nur einfach da zu sein und zu zuhören.


> Die Bedürfnisse der/des Betroffenen
Die Bedürfnisse von ihr/ihm können von sehr verschiedener Natur sein, gehen Sie darauf ein. Achten Sie aber darauf, dass auch Ihre Grenzen nicht überschritten werden. Falls sie/er kuscheln möchte, und Sie haben nichts dagegen, dann tun Sie es. Falls sie/er reden will, und Ihre Zeit erlaubt es, dann nehmen Sie Platz und hören zu. Wichtig ist aber in jedem Fall ihre/seine Grenzen zu respektieren!


> Das Wort "danke"
Einer großen Anzahl von Überlebenden fällt es schwer, das Wort „danke“ über die Lippen zu bringen. Sie sollten es einfach so hinnehmen. Sollte dieses Wort ausgesprochen werden, dann ist es ein Bedürfnis. Für sie/ihn sind Sachen auch bedankenswert, die Sie für selbstverständlich halten. Das jemand unvoreingenommen etwas für sie/ihn tut, kennen häufig die Betroffenen nicht. Darum nehmen Sie es wie es ist. Die Erwiderungen "Für dich immer gern", ehrlich ausgesprochen, ist vielleicht eine nette Geste.


> Führung des Haushalts
Für eine große Anzahl von Betroffenen ist es schwierig den Haushalt zu managen während sie/er an ihrer/seiner Heilung arbeiten. Darum ist Hilfe beim Führen des Haushalts wichtig. Räumen Sie mal auf, besorgen Sie die Einkäufe oder saugen Sie Staub. Falls Sie persönlich aber keine Kraft oder Zeit dafür haben, machen Sie ihr/ihm keine Vorwürfe, akzeptieren Sie dann den Zustand wie sie ist. Kritisieren Sie herum, verschlimmert sich die Situation für die/den Betroffene/n. Es kann dann geschehen, dass sie/er sich unnütz und schlecht fühlt, als sei sie/er zu nichts zu gebrauchen ("nicht mal das kriege ich auf die Reihe …").


>Wie mit Panikattacken umgehen
Nehmen Sie es keinesfalls auf die leichte Schulter aber verschlimmern Sie es auch nicht. Sie sollten fragen ob Sie ihr/ihm Hilfe leisten können, gut wäre bevor die Attacke beginnt und wenn sie bereits vorbei ist. Erkundigen Sie sich was sie/er benötigt. Einmal ist es eventuell ein Spielzeug zum beruhigen oder eine Schulter zum anlehnen und wieder ein anderes Mal will sie/er einfach allein sein. Es kann passieren, dass Sie nichts finden sie/ihn zu beruhigen, dann legen Sie einfach Ihre Hand in ihre/seine Nähe damit sie greifbar für sie/ihn ist. Das ist hilfreicher als alles reden. Zeigen Sie Verständnis und gehen Sie auf ihn/sie ein. Sie müssen unbedingt vermeiden selbst in Panik zu geraten aber herunter spielen dürfen Sie es auch nicht. Beides ist nicht hilfreich für sie/ihn.


> Sicherheitskonzept
Schaffen Sie eine Atmosphäre, die ihr/ihm ein sicheres Gefühl gibt. Wenn die Voraussetzungen da sind, gestatten Sie ihr/ihm ein eigenes Zimmer ganz allein zu haben, richten Sie Kuschelecken ein für sie/ihn. Bei Entscheidungen, die beide Partner betreffen, sie/ihn mit einbeziehen. Seien Sie nach Möglichkeit ausgeglichen und ruhig. Schaffen Sie Freiräume für sie/ihn zur Selbstverwirklichung und Selbsterkenntnis. Falls bei ihr/ihm körperliche Probleme bestehen, sollten Sie trotzdem Möglichkeiten suchen, dass er/sie sich helfend am Alltag beteiligt. Achten Sie aber unbedingt auf Ihre eigenen Grenzen und tun Sie alles nur im Rahmen Ihrer eigenen Kraft Möglichkeiten.


> Wichtige Dinge vergessen
Immer wieder kommt es vor, dass wichtige Dinge von der/dem Betroffenen vergessen werden. Meistens drehen sich die Gedanken von ihr/ihm nur um den erlebten Missbrauch. 
Die Verarbeitung dieser Tat bedeutet schwerste Anstrengung und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sie/er viele Dinge vergisst, etwa wie wichtige Telefongespräche, Behördengänge, notwendige Erledigungen. Es kommt sogar vor, dass essen und trinken von ihr/ihm vergessen wird, weil nur der Missbrauch in ihrem/seinem Kopf herumspuckt.
In dem Sie sie/ihn an die Dinge erinnern, aber auf keinen Fall bemutternd oder vorwurfsvoll, können Sie sie/ihn unterstützen. Solche einfachen Sachen wie „Lass uns zu Abend essen zusammen, gemeinsam schmeckt es besser“ sind hilfreich, wenn Sie erfahren, dass sie/er wieder mal das Essen vergessen hat. Setzen Sie sich gemeinsam an einen Tisch und erledigen wichtige Aufträge oder fahren Sie mit ihr/ihm zu den Behörden.


> Auseinandersetzungen und Konflikte
Konflikte sind auch in Partnerschaften von Betroffenen nicht auszuschließen, ja eher quasi unausweichlich. Die Angst vor Streit rührt bei vielen Betroffenen daher, dass sie glauben nicht mehr geliebt zu werden, wenn es zu Auseinandersetzungen kommt. Auch laute Stimmen machen Angst. Sicher existieren viele weitere Gründe mehr.
Kommt es zum Streit, Ruhe bewahren und sachlich diskutieren, nicht schreien, keine wilden Gesten. Es ist absolut wichtig, dem Partner genau zu zuhören und darauf eingehen, sich gegenseitig ausreden lassen. Völlig unmöglich sind Androhung von Gewalt, Erpressungen, Beleidigungen und Androhung einer Trennung.


> Lob aussprechen
Für alles was Sie an kleinen und kleinsten Fortschritten bemerken loben Sie sie/ihn. Es ist wichtig ihr/ihm zu zeigen, dass es Ihnen auffällt wenn schon lange nicht mehr geschaffte Dinge wieder gehen. Manchmal haben es die Betroffenen selbst noch nicht bemerkt. Sie sollten Ihren Stolz auf sie/ihn ausdrücken, dann wird es sie/ihn einfacher selbst stolz auf sich zu sein.


> Körperliche Nähe
In Beziehungen von Betroffenen ist Nähe ein überaus kompliziertes und sensibles Thema. Die Nähe ist für sie/ihn irgendwie unberechenbar und sehr widersprüchlich. Man kann sich das so vorstellen wie: “Ich brauche deine Nähe aber komm mir nicht zu nahe“.
Nähe macht vielen Betroffenen Angst, weil der Täter eine emotionale Nähe zu ihnen hatte. Aus diesem Grund ist es häufig kaum möglich, dass Betroffene Nähe zu Personen aufbauen, selbst wenn ihnen viel an der Person liegt. Dieses Verhalten ist in ihrer/seiner Vergangenheit begründet und deshalb dürfen Sie es nicht persönlich nehmen.
Immer wieder kann es passieren, dass gerade wenn es besonders schön für Sie ist sie/er aufhören möchte. Machen Sie keine Vorwürfe, da hilft nur Akzeptanz. Meist lösen Erinnerungsfetzen Panikattacken aus und es ist für sie/ihn nicht hilfreich, wenn Sie Vorhaltungen machen oder es bagatellisieren.
Reden Sie mit ihr/ihm, fragen Sie nach ihren/seinen Bedürfnissen, erkundigen Sie sich nach dem Auslöser der Reaktion aber drängen Sie nicht auf eine Antwort. Für den Fall, dass es ihr/ihm zu viel oder zu nah wird, können sie auch Zeichen vereinbaren, beispielsweise ein bestimmtes Wort oder auch eine Geste von ihr/ihm. Eine andere Möglichkeit ist es aufzuschreiben, wenn sie/er darüber nicht sprechen kann.


> Neues Vertrauen aufbauen
Das Vertrauen ist bei den Betroffenen meist zerstört und dieses zerstörte oder verlorene Vertrauen bedarf eines behutsamen, langsamen Aufbaus. Es hilft nicht zu sagen „Du kannst mir vertrauen". Wenn sie/er es so einfach könnte würde sie/es es tun. Das Vertrauen muss sie /er wieder neu erlernen. Sie müssen sich bewusst werden darüber, wo Ihre Stärken und Schwächen bezüglich Vertrauenswürdigkeit liegen.
Sie müssen selbstkritisch hinterfragen: können sich andere auf Ihre Versprechen verlassen? Sind Sie pünktlich?
Wenn Sie ihr/ihm konkrete Angebote unterbreiten kann das Vertrauen aufgebaut werden. Zum Beispiel: „Ich füttere deine Katze, wenn du deine Mutter besuchst. Stell mir nur das Futter hin und sage mir wie viel sie bekommt. Du wirst sehen, dass ich mich um sie kümmere." Wenn Sie aber ein Versprechen abgeben, müssen Sie unbedingt darauf achten es einhalten zu können und es dann auch zu tun. Wiederholen Sie das immer und immer wieder und Sie werden neues Vertrauen schaffen.


> Kontrollzwang
Ihnen ist aufgefallen, dass sie/er einen gewissen Kontrollzwang an den Tag legt, welche Sachen gekauft werden, welche Filme angesehen werden, die Kindererziehung, die Essenszubereitung eben jedes Detail. Zeitweise fällt es sofort auf, an anderen Tagen nicht, beispielsweise wenn üble Laune oder Interessenmangel im Vordergrund stehen. Diese Verhaltensmuster war absolut überlebenswichtig für Ihre/n Partner/in, seien Sie sich dessen bewusst. Das betrifft nicht Sie persönlich.
Eine Änderung kann nur langsam erarbeitet werden. Sprechen Sie mit ihr/ihm über Ihre Bedürfnisse und suchen sie gemeinsam nach Lösungen, auch kleine Schritte sind schon hilfreich. Die Ursachen für den Kontrollzwang sind eine Krise oder Angst. Gemeinsame Gespräche, die vielleicht auch mal dazu führen, dass sie/er versucht Ihnen auch mal die Kontrolle zu übergeben, können ein Ausweg sein.



 

 
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